Sagen um den Kreppelstein bei Blankenau

von Hubert Rützel

An der Grenze zwischen dem früheren Kreis Lauterbach (heute Vogelsbergkreis) und dem Kreis Fulda, die auch seit der Reformation eine Konfessionsgrenze darstellt, befinden sich alte Sandsteinkreuze. In den “Buchenblättern” wurde mehrfach darüber berichtet. Diese Kreuzsteine stammen vermutlich aus dem 15. oder 16. Jahrhundert. Über die Anlässe, die einst zu deren Errichtungen geführt haben, gibt es keine genauen Erkenntnisse. Es scheint aber sicher zu sein, daß sich in dem Bereich, wo solche Monumente aufgestellt wurden, irgend etwas Ungewöhnliches ereignet haben muß, worauf die verschiedenartigsten Motive schließen, die darin eingemeißelt sind.Ein solches altes Steinkreuz steht auch auf der Anhöhe zwischen Blankenau und Stockhausen rechts neben der Landstraße. Das Kreuz, auf dem ein Schwert oder Dolch abgebildet ist, wird im Volksmund “Kreppelstein” genannt. Da auch hier über die einstige Bedeutung dieses Steines nichts Dokumentarisches mehr vorhanden ist, sind mit der Zeit die verschiedensten Geschichten und Schauermärchen entstanden, die von Generation zu Generation weitererzählt wurden.

 

Kreppelstein

 

Drei der bekanntesten überlieferten Deutungen, die den “Kreppelstein” betreffen, sollen hier folgen.

Ein armer Mann aus Stockhausen war nach Blankenau zum Betteln gegangen. Er hatte neben Geld auch Kräppel erhalten. Als der katholische Pfarrer von Blankenau davon erfuhr, daß ein “Lutterischer” erlaubt hatte, in einem katholischen Dorf zu betteln, verfolgte er den armen Stockhäusener, der sich auf dem Heimweg befand. Als der Geistliche den Mann auf der Anhöhe eingeholt hatte, stellte er ihn zur Rede. Wobei er den Bettler als protestantischen Ketzer beschimpfte. Dabei soll es zu Tätlichkeiten zwischen den beiden gekommen sein. Der Streit nahm solches Ausmaß an, daß der Bettler sein Leben lassen mußte. Er soll unter dem “Kreppelstein” begraben sein.

 

Kreppelstein

 

Zwei Brüder aus Stockhausen waren frühmorgens auf die Anhöhe zwischen Blankenau und Stockhausen zum Mähen gegangen. Als sie zum Frühstück ihr Kräppel verteilten, die sie von zu Hause mitbekommen hatten, war einer übriggeblieben. Wegen dieses Kräppels gerieten die Brüder in Streit, wobei einer den anderen erdolcht haben soll.

 

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Nahe der alten Kirche zu Stockhausen, und zwar auf der nördlichen Seite, stand ein Mönchskloster. Mit dem Nonnenkloster zu Blankenau stand es durch einen unterirdischen Gang in Verbindung. Die geistliche Freundschaft zwischen beiden Klöstern ging aber oft zu weit. Zwischen einem Stockhäuser Mönch und einer bildschönen Blankenauer Nonne entspann sich ein inniges Liebesverhältnis. Allabendlich trafen sich beide verliebte Ordensleute in der Dunkelheit auf der Höhe zwischen beiden Klöstern, der nahen Grenze. Hier huldigten sie ungestört dem verbotenen Liebesspiele. Mit höllischer Freude sah der Teufel diesem abscheulichen Treiben der Gott geweihten Personen zu. Sie sollten seinen Klauen nicht mehr entrinnen. Noch heute sollten sie die Seinen werden. Der Teufel griff zu einer List. Im Möchsgewande stellte er sich heute früher als der verliebte Mönch auf der Höhe, dem Treffpunkt der Liebenden, ein. Bald kam auch in der Dämmerung die Nonne vorsichtig angeschlichen. Wie freude sie sich, als sie den Mönch bereits schon gewahrte. In der Meinung, ihren klösterlichen Liebhaber vor sich zu haben, fiel sie voller Zärtlichkeit ihrem vermeintlichen Liebhaber um den Hals, herzte und küsste ihn und trieb ahnungslos mit dem satanischen Buhler ihres Geliebten ihr verbotenes Liebesspiel. Zu sehr war sie betört, daß sie den Leibhaftigen nicht erkannte. Plötzlich überkam sie eine ahnungsvolle Unruhe, die Betörte bemerkte auf einmal den untrüglichen Pferdefuß des unsauberen Gastes. Erschrocken entwand sie sich den teuflischen Armen, laut aufschreiend stürzte sie jäh tot zu Boden. Hell auflachend nahm Satan sie Seele der betrogenen Nonne mit in die Unterwelt. Kurz darauf kam auch der Mönch, der noch den Angstschrei seiner Geliebten vernommen hatte. Doch wie erschrack er, als er seine Angebetene bleich und kalt da liegen sah. In heller Verzeiflung zog er sein langes Messer aus der Scheide und stieß es in sein wild tobendes liebeshungeriges Herz. Neben seiner Geliebten stürzte er entseelt zu Boden. Doch der Teufel hatte den Sieg errungen, zwei geweihte Seelen auf einmal verschlungen. Der Graben, der sich von dieser Stelle hinab nach Blankenau zieht, zu einer tiefen Hohle erweitert und mit Wald bestanden ist, heißt zur Erinnerung an die Verzweiflungstat der beiden verliebten Klosterinsassen bis auf den heutigen Tag der “Zwiewelsgraben” oder Zweifelsgraben. An der Stelle, wo die beiden Entseelten gefunden wurden, errichtete man das Steinkreuz mit dem eingehauenen langen Mördermesser.

(Aus: Buchenblätter, 28. Mai 1991)

 

Kreppelstein

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